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Internationale Mobilität - ein "neuer Aufbruch für Europa"?

Ein „neuer Aufbruch für Europa“ wird im aktuellen Entwurf des Koalitionsvertrags gefordert. Zu den Maßnahmen, die auf den insgesamt vier Seiten aufgeführt werden, gehören auch Initiativen zur Verbesserung der internationalen Mobilität im Bereich der beruflichen Bildung. Konkret ist geplant, Austauschprogramme wie Erasmus+ auszubauen und die Jugendarbeitslosigkeit mit mehr Mitteln der EU zu bekämpfen. Außerdem soll die Vergleichbarkeit von Bildungsstandards in der EU weiter steigen sowie die internationale Mobilität von Auszubildenden besser gefördert und ausgebaut werden.

Gerade letzteres ist ein Anliegen von hoher Aktualität und politischer wie betrieblicher Relevanz. So steht dem proklamierten Ausbauziel in der Praxis das Problem gegenüber, dass es gerade kleinen und mittleren Unternehmen oftmals an den erforderlichen Ressourcen und Kenntnissen fehlt, um Auslandsaufenthalte ihrer Auszubildenden zu organisieren. Die Bundesregierung fördert deshalb seit 2016 das Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“. In seinem Rahmen sind mehr als 40 Mobilitätsberater/innen insbesondere bei den Kammern tätig. In einer aktuellen Evaluation untersucht das f-bb, inwieweit eine weitergehende Entlastung der Betriebe sinnvoll wäre. So wird z.B. danach gefragt, ob eine verstärkte Übernahme von Aufgaben der Antragstellung und Projektdurchführung durch Dritte realisierbar wäre und dies tatsächlich zu einer erhöhten Inanspruchnahme führen könnte.

Auf die Erhöhung der Transparenz der Bildungssysteme und der in ihnen erzielten Lernergebnisse zielen verschiedene europäische Initiativen – vom Europass und den in seinem Kontext entwickelten Zeugniserläuterungen bzw. „Diploma Supplements“ bis zum Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR). Dessen nationale Umsetzung im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) wird vom f-bb im Rahmen des sog. DQR-Büros unterstützt. Zunehmend zeigt sich, dass die bildungsbereichsübergreifende Diskussion um Lernergebnisbeschreibungen gemäß acht definierten Kompetenzniveaus nicht zuletzt dazu beiträgt, das wechselseitige Verständnis der Bildungsbereiche bereits im nationalen Kontext wesentlich zu erhöhen. Mit der in Deutsch und Englisch verfügbaren DQR-Qualifikationsdatenbank (www.dqr.de) steht erstmals eine bildungsbereichsübergreifende Gesamtübersicht in Deutschland zu erwerbender Qualifikationen zur Verfügung, die kontinuierlich um weitere dem DQR zugeordnete Qualifikationen ergänzt wird. Dies nützt Berufstätigen, aber auch Betrieben, die eine genaue und praktische Einordnung des formalen Qualifikationsniveaus erhalten.

In diesem Kontext spielen Austauschprogramme wie Erasmus+ eine zunehmend größere Rolle. Hier erhalten Teilnehmende aus europäischen Ländern die Chance, ihre in beruflichen Schulen erworbenen Kenntnisse mit praktischen Erfahrungen in der betrieblichen Realität zu verknüpfen – EU-weit. Aus unserer aktuellen Forschungsarbeit wissen wir, dass die Potenziale des dualen Ansatzes in Europa heute zwar verstärkt wahrgenommen werden. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass die Ausgangspunkte in der europäischen Berufsbildungslandschaft zu verschieden sind, als dass ein simples „policy borrowing“ zum Erfolg führen könnte. Die transnationale Übertragung von Systemelementen der Berufsbildung kann nur schrittweise und unter Beachtung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontextbedingungen erfolgen. Als erfolgskritisch für praxisnahes Lernen hat sich insbesondere die Qualifizierung der Ausbilder/innen erwiesen.

Insgesamt gibt es also praxiserprobte, gute Ansätze, an die politische Strategien der neuen Regierung anknüpfen können. Die bestehenden Programme können weiter optimiert und die Rahmenbedingungen für die anvisierte Steigerung internationaler Mobilität verbessert werden. Supranationale Initiativen benötigen jedoch für die Abstimmungsprozesse einen langen Atem, so dass kurzfristige Änderungen eher unrealistisch sind.

Andrea Mohoric


Dr. Thomas Reglin