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„Migration Mainstreaming“ und Willkommenskultur

Schlüssel für eine nachhaltige Fachkräfteeinwanderung

Faire und nachhaltige Fachkräftemigration muss nicht auf einen dauerhaften Verbleib von Fachkräften in Deutschland ausgerichtet sein. Oder doch? Das diskutierten Mitarbeitende des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb) gemeinsam mit Michael van der Cammen, Bereichsleitung Internationales der Bundesagentur für Arbeit, im Rahmen der 20-Jahr-Feier des f-bb. Schnell wurde die Vielschichtigkeit der These klar: Neben politischen Akteuren spielen auch die Bedürfnisse beteiligter Betriebe sowie natürlich der Fachkräfte selbst eine zentrale Rolle. Michael van der Cammen identifizierte zwei Tendenzen: „Zirkuläre Migration ist schwer steuerbar. Bei intensiver Vorbereitung bleibt eine Fachkraft eher langfristig in Deutschland – allerdings halten komplexe Regelungen viele Menschen zurück. Wenn Migration schnell und einfach möglich ist, wie zum Beispiel bei der Westbalkanregelung, machen davon mehr Menschen Gebrauch – bleiben aber ggf. nur vorübergehend.“ Als aktuelle Baustellen der Fachkräfteeinwanderung sehen die Expert*innen des f-bb langwierige Anerkennungsverfahren, Engpässe bei Visastellen und die Finanzierung vorbereitender Maßnahmen im Ausland. Gleichzeitig sind größere Unternehmen durchaus bereit, individuell zu unterstützen und zum Beispiel Sprachkurse zu finanzieren. Für Betriebe ist es zudem oberste Priorität, dass Personalengpässe schnell und unkompliziert geschlossen werden –auch mit Mitarbeitenden, die nur wenige Jahre bleiben. Und was ist mit den Fachkräften selbst? „Zirkuläre Migration birgt große Chancen“, erklärt Dr. Christiane Heimann von der IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung am f-bb und benennt als Beispiel indische Ingenieur*innen, die nach einer Tätigkeit in Deutschland die Karriereleiter bei deutschen Unternehmen in ihrem Heimatland aufsteigen. Und wenn ein Unternehmen im Zuge des Offboardings auf mögliche zukünftige Einsatzmöglichkeiten hinweist, so Torsten Künzel von der Betrieblichen Begleitagentur - bea-Brandenburg am f-bb, dann kehren die „ausgewanderten“ Fachkräfte vielleicht sogar wieder nach Deutschland zurück.

Unabhängig davon, wie lange ausländische Fachkräfte in Deutschland bleiben wollen: Politisch gewollt ist eine stärkere Fachkräfteeinwanderung und die Nutzung eines Punktesystems. Nachhaltig kann diese Einwanderung aber nur funktionieren, wenn sie künftig von einem umfassenden Integrationsmanagement begleitet wird. Bei der Diskussion dieser These begrüßen die Anwesenden geplante Verbesserungen durch die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) wie die Abkehr vom Primat der Anerkennung in nicht reglementierten Berufen* und die stärkere Berücksichtigung von Faktoren wie Sprachkenntnissen und Berufserfahrung. Gleichzeitig wird mehrfach gefordert, die Verwaltungsverfahren weiter zu beschleunigen, vereinfachen, digitalisieren und bundesweit zu vereinheitlichen, damit das neue FEG seine volle Wirkung entfalten kann. Für eine gelingende Fachkräfteeinwanderung muss neben der finanziellen Ausstattung beteiligter Behörden und weiterer Akteure auch die Ressource „Willkommenskultur“ ausgebaut werden, was eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Wie kann das erreicht werden? Katharina Bock von der IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung empfiehlt ein „Migration Mainstreaming“ und erklärte: „Gutes Integrationsmanagement bedeutet, dass sich die eingereisten Fachkräfte zurechtfinden und sich willkommen und begleitet fühlen, auch über den Einreiseprozess hinaus.“ Dabei spielen den Expert*innen zufolge die Betriebe eine zentrale Rolle, aber auch die private Lebensgestaltung, z.B. in  Vereinen. Insgesamt ist eine gute Vernetzung der vielen beteiligten Akteure wichtig. So sollten mehr zentrale Anlaufstellen geschaffen werden, zum Beispiel nach dem Vorbild der Welcome Center. Alternativ könnten auch Lots*innenprogramme eine Orientierungsleistung für neu Angekommene übernehmen. Das f-bb ist selbst an einem solchen Willkommenszentrum beteiligt, indem es Wissenstransfer und Erfahrungsaustausche ermöglicht, wie Katharina Otto vom WelcomeCenter Sachsen-Anhalt ausführt. Zu den Wünschen an Minister Hubertus Heil, die die Anwesenden abschließend formulieren, zählen eine bundesweite Strategie für Integrationsmanagement und die gesetzliche Verpflichtung auch für private Arbeitsvermittlungen, internationale Standards einzuhalten.