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Von der Theorie in die Unternehmen

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Die Sicherung ausreichend qualifizierter Arbeitskräfte ist in Deutschland angesichts des demografischen Wandels und des wachsenden Bedarfs in Schlüsselbranchen wie Pflege, IT und Handwerk zu einem zentralen Thema geworden. Unternehmen suchen händeringend Fachkräfte. Das Potenzial dabei verstärkt auch Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, wird allerdings bisher von Unternehmen kaum genutzt. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die Bundesregierung 2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet und dieses im Sommer 2023 novelliert. Ziel ist es, die Optionen der Einreise zu erhöhen und Einreiseprozesse zu beschleunigen. Davon können auch Unternehmen profitieren.

Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), als eine wissenschaftliche Einrichtung mit starker Praxisnähe, interessiert sich besonders für die Auswirkungen der neu eingeführten Regelungen in der Praxis. Dieses Thema begegnet uns unter anderem im Rahmen der beim f-bb angesiedelten Projekte Betriebliche Begleitagentur - bea-Brandenburg, Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung oder WelcomeCenter in Sachsen-Anhalt.

Mit der dreistufigen Einführung des Gesetzes werden in den nächsten Monaten zahlreiche Maßnahmen in die Praxis überführt und "getestet". Diese sollen für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Rekrutierung aus dem Ausland erleichtern.

Was ändert sich konkret?

Den Aufenthaltstitel der Blauen Karte EU können seit 18. November 2023 auch Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger aus dem akademischen Bereich und IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten ohne Hochschulabschluss erwerben. So gelingt schon frühzeitig eine Integration in Betrieben mit spezialisierten Fachkräften.

Durch die Schaffung der Anerkennungspartnerschaft nach § 16d Abs. 3AufenthG können Fachkräfte mit nicht-reglementierten Ausbildungsberufen und Kontakt zu einem Unternehmen schon vor dem Anerkennungsverfahren nach Deutschland einreisen. Das Unternehmen verpflichtet sich im Rahmen der Anerkennungspartnerschaft, die Fachkraft, angekommen in Deutschland, bei der Aufnahme des Anerkennungsverfahren zu unterstützen und Qualifizierungen im Betrieb anzubieten, wenn dies notwendig wird. Damit beteiligen Unternehmen sich aktiv an der Fachkräftesicherung.

Mit Einführung der Chancenkarte zur Arbeitssuche wird erstmalig im deutschen Aufenthaltsrecht mit einem Punktesystem gearbeitet. Hierbei erhalten unter anderem Berufserfahrung und Sprachkenntnisse mehr Gewicht. Die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Menschen ohne formale oder in Deutschland anerkannte Berufsabschlüsse wird gefördert. Im Prozess bedeutet dies, dass die Einreise einer Fachkraft nicht mehr allein von einem erfolgreichen Anerkennungsverfahren abhängig ist, sondern weitere Wege zur Einreise eröffnet werden. Es soll eine Flexibilität entstehen, die aus der Wirtschaft gefordert war.

Auch die Möglichkeit zu einem Spurwechsel, wie der Wechsel in einen gesicherten Aufenthalt bei Asylsuchenden genannt wird, bietet die Novellierung des Gesetzes. Durch den Spurwechsel wird erstmals Asylsuchenden ein Wechsel zu einem Aufenthaltstitel zu Arbeitszwecken ermöglicht. Der Vorteil für geflüchtete Fachkräfte und Unternehmen liegt darin, dass das Asylverfahren beendet wird und die Fachkraft mit gesichertem Aufenthaltstitel eine Beschäftigung eingeht. Unternehmen erhalten so mehr Sicherheit, dass die Fachkraft nicht während des Anstellungsverhältnisses von Abschiebung bedroht ist.

Informations- und Beratungsstrukturen

Trotzdem, hinter all diesen Neuerungen verbergen sich komplexe Verfahren und bürokratische Herausforderungen. Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure besteht daher ein großer Bedarf an einer verstärkten Zentralisierung von Informationen und Kommunikation bei den Behörden. Dabei ist die Bereitschaft der Unternehmen, die Fachkräfteeinwanderung proaktiv zu gestalten, von entscheidender Bedeutung.

Die langjährigen Erfahrungen des f-bb im Bereich Migration durch die Begleitung zahlreicher Qualifizierungs- und Beratungsangebote lassen darauf schließen, dass eine systematische Unterstützungsstruktur bei der praktischen Umsetzung der Gesetzesneuerungen ausschlaggebend sein wird. Unternehmen brauchen eine einfache und zentrale Informationsstruktur, damit sofort erkennbar ist, an wen sie sich wenden können. Eine Möglichkeit wäre die Sichtbarkeit der bereits bestehenden Angebote wie die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), die Plattform der Bundesregierung „Make it in Germany“ oder die Hotline „Arbeiten und Leben in Deutschland“ zu erhöhen und die regionalen Beratungs- und Begleitstellen der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern sowie anderer relevanter Akteure und Netzwerke zu unterstützen und auszubauen. Sichtbarkeit bei Unternehmen kann durch eine bundesweite Kampagne zu den zentralen Informationsstellen und durch Stärkung der regionalen Begleitstrukturen erfolgen, wie das f-bb sie bereits in den Projekten bea-Brandenburg und dem WelcomeCenter Sachsen-Anhalt umsetzt.

Für eine nachhaltige Integration von Migrantinnen und Migranten ist eine aktive und gut informierte Begleit- und Beratungslandschaft ausschlaggebend, um ein klares Signal sowohl nach innen als auch nach außen zu senden und die nun vereinfachten Verfahren erfolgreich zu koordinieren und zu nutzen.