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Erfolgsrezepte einer Brandenburger Bäckerei

Gute-Praxis-Einblick in unsere Begleitung von Betrieben bei der Beschäftigung Geflüchteter

Im Iran besaß er eine eigene Konditorei, nun backt er Himbeertorte und Christstollen: Der 41-jährige Mostafa hat eine Stelle gefunden, die zu ihm passt – und einen Chef, der sich kümmert. Unterstützt hat dabei die am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) angesiedelte Beratungsstelle bea-Brandenburg.

Wenn andere ins Bett gehen, fängt Mostafas Arbeitstag an. Nachts um 2:00 Uhr steht er auf, ab 2:30 Uhr beginnt seine Schicht – zum Glück wohnt der 41-jährige Iraner direkt über der Backstube. Dort angekommen, geht er erst einmal die Produktionsliste für den Tag durch: Himbeertorte, Erdbeerschnittchen, Dominosteine. „Die kannte ich nicht“, sagt Mostafa und lacht. „Da ist schließlich Alkohol drin. Das wäre im Iran ein Tabu.“

Mostafa kam 2018 nach Deutschland. Als gelernter Konditor kannte er sich schon im Iran mit Süßgebäck aus. Teig ausrollen, Kuchen backen, Streusel kneten: Alles kein Problem. Mit diesem Vorwissen bewarb sich der 41-Jährige bei der Bäckerei-Konditorei Plentz im Brandenburgischen Oberkrämer. Der erste Geflüchtete war er dort nicht. „Wir hatten lange eine Verkäuferin aus dem Iran“, erzählt Geschäftsführer Max Schöppner. Für ihn gehört es zum christlichen Selbstverständnis, anderen eine Chance zu geben.

Der Traditionsbetrieb mit seinen sieben Filialen und 166 Mitarbeitenden hat die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet. Neben Geflüchteten beschäftigt er auch mehrere Menschen mit Sehbehinderung. „Wir sind ein Familienbetrieb und wollen auch eine Familie für unsere Belegschaft sein“, sagt Schöppner.

Trotzdem war für ihn klar: Eine Sonderbehandlung bekommt Mostafa nicht. „Jeder Bewerber und jede Bewerberin mit Migrationshintergrund muss dieselben Anforderungen erfüllen wie alle anderen auch“, betont Schöppner. Wenn jemand die Sprache überhaupt nicht spreche oder keinerlei Motivation zeige, mache das Ganze keinen Sinn. Zum Glück sei es bei Mostafa genau umgekehrt gewesen. „Er beherrscht sein Handwerk“, sagt Schöppner.

Schwierig sei es eher gewesen, den neuen Mitarbeiter überhaupt anzustellen. „Der Prozess ist so kompliziert, dass man es ohne Hilfe nicht schafft“, beklagt der Geschäftsführer. Dank der Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen, engagierter Sozialarbeiter und der Beratung durch die am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) angesiedelte Anlaufstelle bea-Brandenburg habe er die bürokratischen Hürden aber schließlich gemeistert. „Im Zweifel rufe ich immer bei den Ämtern direkt an“, verrät Schöppner sein Erfolgsrezept. „Da sitzen auch nur Menschen. Die meisten sind wirklich nett, wenn man sie erst einmal kennt.“ Neben der Kommunikation mit der Ausländerbehörde informierte bea-Brandenburg den Betrieb zu Fördermöglichkeiten und stand auch für alle weiteren Fragen rund um die betriebliche Integration zur Verfügung.

Am Anfang stand für Mostafa und seine neuen Kolleginnen und Kollegen das Kennenlernen im Mittelpunkt. Es war für alle – auch für die Belegschaft – neues Terrain. Mostafa tappte unversehens in so manches kulturelle Fettnäpfchen. Da sein Deutsch zu Beginn noch etwas holprig war, stand bea-Brandenburg dem Betrieb und seinem Mitarbeiter zur Seite. Im Rahmen einer Belegschaftsversammlung konnte Mostafa sich und seine Geschichte den Kollegen und Kolleginnen durch die Sprach- und Kulturmittlung der bea-Brandenburg näher bringen. „Das hat uns wirklich sehr geholfen. Seitdem läuft es viel besser.“ bestätigen  Bäckerei-Inhaber Karl-Dietmar Plentz und Geschäftsführer Maximilian Schöppner.

In der Backstube ist Mostafa derweil damit beschäftigt, einen Meterstollen für den Verkauf vorzubereiten. Einmal hat der Iraner auch schon Gebäck aus seiner Heimat hergestellt: iranische Cremerollen, süß und fluffig. Die Resonanz bei der Kundschaft sei leider verhalten gewesen, erinnert sich Schöppner. Er gibt die Hoffnung aber nicht auf: „Demnächst probieren wir mal iranisches Brot.“


Von der Nudelmanufaktur über das Autohaus bis hin zum Glückwunschkarten-Verlag: Noch mehr Erfolgsgeschichten von der Beschäftigung und Ausbildung Geflüchteter in Brandenburger Betrieben finden Sie auf der Webseite von bea-Brandenburg.

Bereits seit 2016 begleitet bea-Brandenburg – ein Verbundprojekt des f-bb und des Bildungswerks der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg – Unternehmen bei der Beschäftigung von Menschen mit Fluchtgeschichte. Das Projekt wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg gefördert.