InfoForum 03/2025
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Inklusive Praxis in der Projektarbeit
Gestaltungsanregungen für einen nachhaltigen Haltungswandel

Barrierefreiheit beginnt nicht bei der Umsetzung – sondern bei der Planung
Die Räumlichkeiten sind organisiert, die Referent*innen sind eingeladen, das Programm ist veröffentlicht. An alles gedacht? Ein letzter Blick in die Projektvorgaben: Oh Schreck, wir haben die Barrierefreiheit außer Acht gelassen! Aber im Nachhinein anpassen, ist meist aufwändig und verursacht zusätzliche Kosten. Was also tun? Vielleicht reicht ja eine "halbe" Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit ist kein nachträglicher Zusatz, sondern ein zentrales Qualitätsmerkmal guter Projektarbeit. Wer sie erst berücksichtigt, wenn Veranstaltungen, Publikationen oder andere Produkte bereits konzipiert sind, steht oft vor unnötigen Hürden. Viel effizienter – und wirkungsvoller – ist es, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. Das beginnt bei Projektidee und Budgetplanung und reicht bis zum Abschluss des Projektes. Denn nur wenn bereits in der Planung Mittel für Dolmetscherdienste, barrierefreie Dokumente oder technische Assistenzsysteme eingeplant sind, kann Teilhabe wirklich gelingen.
Wie kann konkret vorgegangen werden? Ein erster Schritt ist es, sich frühzeitig einige grundlegende Fragen zu stellen: Welche Zielgruppen sollen erreicht werden? Welche Standards gelten – und welche wollen wir selbst setzen? Welche Vorgaben gibt es, etwa durch Budget oder Zeitrahmen? Diese Reflexion schafft Klarheit und ermöglicht es, realistische und zugleich ambitionierte Maßnahmen zu entwickeln.
Das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) beschäftigt sich im Rahmen seines Kompetenzfeldes "Inklusion und Berufliche Rehabilitation" intensiv mit diesen Fragestellungen. Ein internes Handbuch mit eigenen Erkenntnissen und Leitlinien ist derzeit in Arbeit. Es soll Mitarbeitende dabei unterstützen, Barrierefreiheit als Querschnittsaufgabe in der eigenen Projektarbeit zu implementieren und umfasst v.a. die folgenden Themen:
- Berücksichtigung von Barrierearmut-/freiheit bei der Beantragung neuer Projekte
- Bereitstellung barrierearmer/-freier Texte (pdf, Postings) sowie die Beauftragung von Externen zur Umsetzung von Barrierefreiheitsstandards in Dokumenten
- Planung und Durchführung barrierearmer/-freier Veranstaltungen (digital und in Präsenz)
Veranstaltungen inklusiv denken
Veranstaltungen – ob digital oder in Präsenz – bieten Chancen für Begegnung und Austausch. Damit möglichst viele Menschen daran teilhaben können, braucht es eine durchdachte Planung. Im Handbuch werden vier Phasen der Veranstaltungsorganisation (Planung und Ausschreibung, Vor der Veranstaltung, Während der Veranstaltung, Nach der Veranstaltung) aufgegriffen und mit konkreten Ausgestaltungshinweisen hinterlegt. Beispielhaft werden in der folgenden Tabelle Aspekte aus dem Bereich „Vor der Veranstaltung“ kurz aufgezeigt:
Je barriereärmer eine Veranstaltung gestaltet ist, umso weniger sind Gäste im Zugzwang, sich und ihre Einschränkung bzw. ihre Bedarfe outen zu müssen. Dadurch kann es gelingen, Barrierefreiheit immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Außerdem profitieren Veranstaltungen von einer diverseren Teilnehmendengruppe, da möglichst viele Personen in der Lage sind, sich einzubringen.
Barrierefreiheit als Haltung – nicht als Pflicht
Barrierefreiheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Sie verändert sich mit der Technik, mit gesellschaftlichen Erwartungen und mit den Erfahrungen der Beteiligten. Deshalb braucht es Offenheit, Lernbereitschaft und den Mut, auch unvollkommene Lösungen zuzulassen – solange sie mit dem Ziel verbunden sind, Teilhabe zu ermöglichen.
Inklusion beginnt nicht mit der perfekten Lösung, sondern mit dem Willen, niemanden auszuschließen. Wer Barrierefreiheit als Haltung versteht, schafft Zugang, Vertrauen, Sichtbarkeit und echte Teilhabe.
Auch interessant: Die InfoForum-Artikel zu den Themen Barrierefreie Wege in eine inklusive digitale Zukunft und Partizipative Forschung für mehr Inklusion und Barrierefreiheit.