InfoForum 04/2025
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Bildung als Motor des Wandels
Die Rolle des partizipativen Lernens in der Transformation

Die Strategie steht, die Technologie ist beschafft, die Prozesse sind definiert – und trotzdem stockt der Wandel. Viele Führungskräfte erleben: Veränderung gelingt nicht allein durch neue Strukturen und Systeme. Entscheidend ist, wie Menschen den Wandel wahrnehmen – und ob sie ihn mittragen können. Skepsis, Unsicherheit oder Widerstand sind dabei keine Ausnahme, sondern verständliche Reaktionen auf tiefgreifende Veränderungen. Wer Transformation erfolgreich gestalten will, braucht deshalb nicht nur einen Plan, sondern auch Vertrauen, Beteiligung und Raum für Entwicklung.
Dieses Phänomen zeigt sich in Gesprächen betrieblicher Fallstudien im Projekt transform.by und in den Beratungen des Zukunftszentrums Süd, beides Projekte am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), die Unternehmen in der Transformation unterstützen: Veränderungsbereitschaft entsteht durch Beteiligung der Betroffenen.
Widerstände als Lernimpulse nutzen
Widerstände sind wertvolle Indikatoren – sie zeigen, wo Kommunikation, Beteiligung und Orientierung fehlen. Sie entstehen durch Unklarheit über Ziele, fehlende Einbindung, mangelndes Vertrauen oder Sorge vor Kompetenz- und Jobverlust. Es gilt, Mitarbeitende von Beginn an als Mitgestaltende einzubinden.
Praxisbeispiele: Veränderung gemeinsam gestalten
Erfolgreiche Transformationsbildung sollte an realen betrieblichen Herausforderungen anknüpfen, Austausch ermöglichen und die Entwicklung konkreter Handlungsoptionen fördern.
Ein Beispiel für einen solchen Ansatz ist der „ChangeCruiser“, ein strukturiertes Lernformat aus dem Projekt transform.by, das zeigt, wie Bildung informell, praxisnah und partizipativ gelingt. Mitarbeitende reflektieren mit verschiedenen Aussagen (z.B. „Mir ist häufig nicht klar, warum die Veränderungen notwendig sind“) eigene (negative) Glaubenssätze (z. B. „Veränderung bedeutet für mich mehr Arbeit.“). Anschließend entwickeln sie anhand von Impulsen, die zur Reflexion und Lösungsfindung anregen sollen (z.B. „Wo erlebt ihr das?“, „Was macht diese Erfahrung für euch herausfordernd?“, „Was müsste sich ändern, damit ihr eure Ideen einbringt?“), eigenverantwortlich Lösungsideen. Durch den Austausch über Erfahrungen und Unsicherheiten erhalten sie neue Perspektiven auf Veränderungssituationen.
Um eine offene Diskussion ohne potenzielle Hierarchieeffekte zu ermöglichen, liegt der Fokus zunächst auf den Mitarbeitenden ohne Beteiligung der Führungskräfte. Diese erhalten im Nachgang anonymisiert Rückmeldung zu den zentralen Themen, die die Mitarbeitenden beschäftigten und konkrete Lösungsvorschläge zur gemeinsamen Gestaltung von Veränderung. Der Ansatz dreht die übliche Vorgehensweise um: Statt vorgefertigte Lösungen zu präsentieren, werden Teams befähigt, ihre eigenen Wege zu finden. Führungskräfte werden zudem unterstützt, ihre Teams besser zu verstehen und sie entsprechend einzubinden.
Beim „KI-Planspiel“ des Zukunftszentrums Süd dagegen haben Teilnehmende die Aufgabe, in einem fiktiven Unternehmen künstliche Intelligenz einzuführen. Hierbei findet der partizipative Ansatz doppelt statt: Mitarbeitende aus unterschiedlichen Abteilungen schlüpfen im Spiel in andere Rollen: von der Marketing-Leitung bis hin zum Betriebsrat. Diese Perspektivwechsel erweitern den Blick vom „Ich" zum „Wir".
Teilnehmende entwickeln Strategien zur Mitarbeitendenbeteiligung und definieren Erfolgskriterien. Der spielerische Charakter ermöglicht risikofreies Erproben, da sie im fiktiven Raum frei agieren und dennoch Erkenntnisse in den Alltag übertragen können.
Als Multiplikator*innen können sie anschließend ihren Kolleg*innen bei Transformationsprozessen Verständnis vermitteln, Sorgen abbauen und den partizipativen Ansatz weitertragen.
Wichtig in der Umsetzung solcher Formate ist, Mitarbeitende bereits in der Planungsphase einzubinden und vertrauensvolle Umgebungen für einen offenen Austausch zu schaffen. Zudem sollten Hierarchieeffekte berücksichtigt werden und die Ergebnisse im Sinne eines kontinuierlichen Dialogs gemeinsam evaluiert und umgesetzt werden.
Partizipative Bildungsansätze stärken das Vertrauen, fördern die Selbstwirksamkeit der Teams und schaffen eine Kultur des gemeinsamen Lernens. Mitarbeitende, die ihre Bedenken ernstgenommen sehen und eigene Lösungen entwickeln können, werden zu Botschaftern des Wandels. Für Unternehmen bedeutet dies eine höhere Akzeptanz von Veränderungsmaßnahmen, reduzierte Widerstände und eine stärkere Innovationskraft.
Fazit: Bildung als strategischer Erfolgsfaktor
Transformation braucht Menschen, die Veränderung verstehen, mittragen und aktiv mitgestalten. Partizipative Bildungsansätze schaffen die Grundlage dafür, indem sie Mitarbeitende von Betroffenen zu Beteiligten machen.
Für Personalverantwortliche bedeutet dies, Bildung als strategischen Hebel zu verstehen: Nicht im Sinne einer nachgelagerten Qualifizierung als Reaktion auf Veränderungen, sondern als Gestaltungselement und integralen Bestandteil des Transformationsprozesses selbst. Die Erfahrungen zeigen: Wenn Bildungsangebote aus realen Bedarfen entwickelt werden und Unternehmen Mitarbeitende aktiv einbinden, entstehen nachhaltige Lerneffekte – ein wertvoller Beitrag zur zukunftsfähigen Personal- und Organisationsentwicklung.
Transform.by wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) im Rahmen des Förderprogramms „Transformationsstrategien für Regionen der Fahrzeug- und Zulieferindustrie“ gefördert.
Das Projekt Zukunftszentrum Süd wird im Rahmen des Programms „Zukunftszentren“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) sowie anteilig durch die jeweiligen Landesministerien für Wirtschaft in Bayern und Baden-Württemberg gefördert.

