InfoForum 01/2023

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Kooperative Problemlösung unter Wettbewerbern

Evaluation zeigt Vorteile von Qualifizierungsverbünden auf

Betriebe mit ähnlichen Herausforderungen in Kontakt bringen, Netzwerke aufbauen, Lernen von- und miteinander, Impulse geben und Ideen entwickeln – all das geschieht in Qualifizierungsverbünden. In diesen schließen sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Verbände und Institutionen wie Bildungsträger und Agenturen für Arbeit zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Fachkräfte qualifizieren und eine strategische Personalentwicklung aufbauen. Wie ihnen das gelingt, untersucht das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) bei seiner Evaluation der Folgephase des Pilotprojekts „Qualifizierungsverbünde zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit“ in Baden-Württemberg. Bereits in der Pilotphase sind Verbünde in der Metall- und Elektroindustrie, der Textil- und der Pflegebranche entstanden, die in der Folgephase weiterentwickelt wurden. Die Evaluation durch das f-bb befasst sich mit der Frage, wie erfolgreich die Verbünde sind und welche Faktoren sich förderlich auswirken, wenn es darum geht, solche Netzwerke nachhaltig zu etablieren. 
Aus den vorläufigen Ergebnissen zeigt sich, dass die Qualifizierungsverbünde in Baden-Württemberg sich im Verlauf des Pilotprojekts kontinuierlich weiterentwickelt haben. Im Rahmen der Verbünde wurden zunächst Qualifizierungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt. Beispielsweise haben Unternehmen der Textilbranche im letzten Herbst das 12-monatige Nachwuchskräfteprogramm „Next Level Textil“ entwickelt: Hier werden die personale, soziale und Methodenkompetenz in Lernformaten wie Workshops, Lerntandems oder Hospitationen weiterentwickelt. Darüber hinaus hat sich die Verbundarbeit auf Fragen, wie Fachkräfte gewonnen werden können, ausgedehnt. So sind Austauschformate und Unterstützungsangebote entstanden, die bei der ursprünglichen Konzeption des Pilotprojekts noch nicht antizipiert worden waren. Ein Beispiel ist die in der Region Ostwürttemberg entstandene Arbeitsmarktdrehscheibe, die Betriebe mit Personalbedarf mit solchen Betrieben in Kontakt bringt, die Personal abbauen müssen. Aus den geführten Interviews ergibt sich, dass die Offenheit der Verbundpartner – verstanden als die Bereitschaft, die eigenen Strukturen und Arbeitsweisen für andere Unternehmen im Verbund zugänglich zu machen, etwa indem Hospitationen ermöglicht werden – eine zentrale Voraussetzung für eine effektive Verbundarbeit ist. Denn nur, wenn unternehmenseigene Strukturen und Organisationsweisen den Verbundpartnern zugänglich gemacht werden, können eine effektive Zusammenarbeit und ein offener Austausch im Verbund gelingen. An dieser Stelle erfüllen die Verbundmanagerinnen und -manager die Schlüsselaufgabe, den typischerweise in einer Wettbewerbssituation stehenden Unternehmen zu vermitteln, dass in der Kooperation bezüglich gemeinsamer Problemlagen eher ein Gewinn als ein Nachteil liegt. Eine ebenso zentrale Aufgabe besteht in der Herstellung von Vertrauen und Vertraulichkeit bei der Verbundarbeit. Zugleich spielt das Verbundmanagement auch inhaltlich eine bedeutende Rolle: Wird diese Funktion mit einer Person besetzt, die nicht aus der Mitte des Verbundes selbst stammt, so eröffnet dies die Chance, Ideen und Perspektiven von außen einzubringen. 

Das Pilotprojekt „Qualifizierungsverbünde“ wird seit 2019 im Auftrag des durch das Bildungswerks der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V. gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden Südwestmetall und Südwesttextil betrieben. Die Teilnahme an den Verbünden ist für die Unternehmen kostenlos; lediglich für Weiterbildungsmaßnahmen fallen Kosten an. Wie schon die zweijährige Pilotphase von 2019 bis 2021 wird auch die bis Mitte 2023 laufende Folgephase, mit der das Projekt schließt, im Auftrag des Bildungswerks durch das f-bb evaluiert. Im September 2023 soll der Abschlussbericht der Evaluation vorgelegt werden.