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Antragsverfahren digitalisieren, Bescheide vereinheitlichen

Wie die Politik die berufliche Integration ausländischer Fachkräfte verbessern kann

Der Koalitionsvertrag bekennt sich zu Deutschland als einer „vielfältigen Einwanderungsgesellschaft“. Um diesem Postulat gerecht zu werden wollen SPD, Grüne und FDP die Integration ausländischer Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt weiter verbessern. Wie könnte das konkret gelingen? Wo sind Stellschrauben, an denen noch nachjustiert werden sollte? Die am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) angesiedelte IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung hat wesentliche Erkenntnisse dazu zusammengetragen.

Eine erste Maßnahme, die auch explizit im Koalitionsvertrag benannt wird, ist der weitere Abbau von Hürden bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen. Aus der Umsetzungspraxis ist bekannt, dass z. B. die Dauer der Verfahren oftmals zu lang ist. Vom Zeitpunkt der Antragstellung über den Ausgleich festgestellter Unterschiede bis hin zum Gleichwertigkeitsbescheid kann bis zu einem Jahr vergehen. Eine Beschleunigung wäre auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels dringend geboten.

Dafür benötigen die Stellen, welche die Anträge prüfen und bescheiden, zunächst eine bessere Personaldecke. Damit würde auch den gestiegenen Anforderungen Rechnung getragen. So hat sich die jährliche Zahl der Anträge auf Berufsanerkennung laut amtlicher Statistik seit 2012 fast verdreifacht: 2020 gingen 31.536 Anträge ein. Die Digitalisierung der Antragsverfahren ist ein weiterer Aspekt, der den Antragsprozess erleichtern kann. Ein erster Schritt in diese Richtung wird 2022 im Land Nordrhein-Westfalen pilotiert.

Zweitens könnte auch eine stärkere Vereinheitlichung der Bescheide den Prozess beschleunigen. Aktuell sind Anerkennungsverfahren mitunter sehr verschieden und auch die daraus resultierenden Bescheide, selbst wenn es sich um den gleichen Beruf aus dem gleichen Ausbildungsstaat handelt. Um Verfahren und Bescheide zu vereinheitlichen, müssen zunächst die Ursachen analysiert werden. Das Förderprogramm IQ nimmt die Ursachen in einer Reihe von Situationsanalysen in den Blick. Es werden die Problematiken für verschiedene Berufsbereiche aufgezeigt und Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Drittens verzögern lange Wartezeiten auf Prüfungstermine die Anerkennungsverfahren. Diese sind in der Regel dann vorgeschrieben, wenn im Verfahren auf Basis einer Dokumentenanalyse wesentliche Unterschiede zum deutschen Berufsbild festgestellt werden. Aktuell ist das bei etwa jedem zweiten Verfahren der Fall. Die Unterschiede können durch Qualifizierungsmaßnahmen wie z. B. einen Anpassungslehrgang oder spezielle Prüfungen ausgeglichen werden. Das Angebot einer solchen Ausgleichsmaßnahme ist aber noch nicht flächendeckend vorhanden: Anerkennungssuchende müssen teilweise weite Strecken in Kauf nehmen und, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, häufig lange warten, bis sie eine vorgeschriebene Prüfung absolvieren können.

Die Verfahren der Berufsanerkennung sind je nach Berufsbereich und Bundesland sehr verschieden und komplex. Gesetzlich festgeschrieben sind sie im Berufsanerkennungsgesetz, das in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag feiert. Es ermöglicht Fachkräften mit einem ausländischen Berufsabschluss, ihre Qualifikation in Deutschland anerkennen zu lassen und so bildungsadäquat arbeiten zu können. Einige Berufe setzen eine Anerkennung voraus, um eine Berufserlaubnis in Deutschland zu bekommen. Dazu gehören z. B. Ärzt*innen oder Pflegefachkräfte. Andere Berufe wiederum sind landesrechtlich geregelt und haben je nach Bundesland eigene Regelungen. Dazu gehören z. B. Erzieher*innen.

Um ausländische Fachkräfte durch den komplexen Prozess zu navigieren, wurden Begleitstrukturen geschaffen, etwa Beratungsstellen. Diese Beratung wird bundesweit durch verschiedene Träger umgesetzt z. B. durch das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Europäischen Sozialfonds geförderte Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ (IQ). Von den IQ Beratungsstellen wurden seit 2019 bereits 135.910 Personen im Rahmen der Anerkennungs- bzw. Qualifizierungsberatung betreut.